Vergangene Woche hatte ich die Gelegenheit, die Paul Moor-Schule in Mönchengladbach zu besuchen. Diese Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung wird in privater Trägerschaft des Caritasverbandes betrieben und ist ein besonderer Lern- und Lebensort, der seit fast fünf Jahrzehnten Kinder und Jugendliche mit großem Engagement begleitet.
Eine Schule mitten im Wald
Die Paul Moor-Schule liegt im Hardter Wald, abgeschieden von der Hektik des städtischen Alltags. Genau diese Lage ist ein Vorteil: Die Natur ist hier nicht nur Kulisse, sondern wird aktiv in den Schulalltag eingebunden. Ob Verkehrserziehung, Umwelterziehung oder Sport im Wald – der Lernort Wald wird bewusst als pädagogischer Raum genutzt. Jedes Jahr gibt es eine Umweltwoche, und ein eigener Erlebnispfad ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, Natur mit allen Sinnen zu erfahren.
Alltag mit Lebenspraxis
Die Schule versteht sich als Ganztagsschule mit hohem Anspruch. Sie betreut derzeit 133 Schülerinnen und Schüler in kleinen Klassen. Ziel ist es, die jungen Menschen zu größtmöglicher Selbstbestimmung zu befähigen. Der Unterricht ist daher stark lebenspraktisch ausgerichtet: Einmal pro Woche wird gemeinsam in den Klassen gekocht, regelmäßig werden Einkäufe unternommen, und auch Ausflüge gehören selbstverständlich dazu. Dafür stehen ein Bulli und ein Caddy zur Verfügung, mit denen Fahrten in die Umgebung möglich sind.
Lebenspraxis bedeutet hier auch, die Schülerinnen und Schüler auf das Leben vorzubereiten – mit Kompetenzen, die über das Klassenzimmer hinausreichen. Von der alltäglichen Selbstorganisation bis hin zur Teilhabe in der Gesellschaft wird das Ziel verfolgt, dass die Kinder und Jugendlichen ein möglichst selbstständiges Leben führen können.
Tiere als Brücke
Ein besonderes pädagogisches Konzept ist der tiergestützte Unterricht. Auf dem Gelände leben zwei Ponys, ein Esel, Kamerun-Schafe, Hühner, ein Hahn, Bienen und sogar eine Katze. Tiere sind für viele Schülerinnen und Schüler wichtige Bezugspunkte. Sie helfen bei seelischen Verletzungen, stärken das Selbstwertgefühl und fördern soziale Fähigkeiten. Der Esel gilt als besonders soziales Tier und ist nicht selten eine Brücke zu Spaziergängern im Wald, die auf die Schulgemeinschaft treffen.
Die Verbindung von Mensch, Tier und Natur schafft eine Atmosphäre, die weit über klassische Unterrichtsformen hinausgeht. Sie fördert Empathie, Geduld und Verantwortung – Fähigkeiten, die im Alltag unverzichtbar sind.
Starke Gemeinschaft und engagiertes Team
Die Paul Moor-Schule beschäftigt rund 40 Lehrerinnen und Lehrer, deren Kosten vom Land NRW erstattet werden. Rund 25 Schulassistenten/-innen unterstützen die Schüler/-innen. Träger ist der Caritasverband Region Mönchengladbach, der erheblich in die Weiterentwicklung investiert. So wurde jüngst ein ehemaliger Kindergarten auf dem Gelände zum Paul Moor-Atelier umgebaut – mit einem Invest von 1,2 Mio. EUR, überwiegend aus Eigenmitteln. Die Bewirtschaftungskosten der Schule in Höhe von rund 170.000 EUR trägt zu knapp 80 % das Land, über 20 % bringt der Caritasverband auf.
Besonders bemerkenswert ist der hohe Anspruch, den sich die Schule selbst setzt: Jeder Mensch soll hier gesehen, gefördert und gestärkt werden. Die Aufgabe der Pädagoginnen und Pädagogen ist es nicht nur, Wissen zu vermitteln, sondern die jungen Menschen „zu Menschen zu machen“ – sie also in ihrer Persönlichkeit zu begleiten, ihnen Anerkennung zu geben und sie fit für ihr Leben zu machen.
Historie und besondere Atmosphäre
Das Schulgebäude selbst ist ein denkmalgeschütztes Haus, das bereits eine bewegte Geschichte hat. Ursprünglich war es eine Lungenheilanstalt. Später wurden hier auch Kinder geboren – gut situierte Frauen nutzten den Ort für Entbindungen. Der erste Schulleiter, Herr Krumm, gab dem Haus seine heutige einladende gelbliche Farbe.
Die Gründung der Paul Moor-Schule geht auf eine Elterninitiative zurück. Eltern, die nicht länger bereit waren, ihre Kinder in der Gesellschaft versteckt zu sehen, nahmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Daraus entwickelte sich die Schule, die heute ein fester Bestandteil der Bildungslandschaft in Mönchengladbach ist.
Ein Ort, der berührt
Besonders bewegend war für mich ein persönliches Erlebnis: Als mich ein völlig fremdes Kind spontan umarmte, wurde mir deutlich, welch intensive Nähe und Vertrauen in dieser Schule möglich sind. Hier zeigt sich, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur Unterstützung brauchen, sondern auch sehr viel zurückgeben.
Die Paul Moor-Schule ist ein lebendiger Beweis dafür, dass Bildung weit mehr ist als das Vermitteln von Wissen. Es geht um Gemeinschaft, Selbstwert, Verantwortung und Menschlichkeit. Dieser Ort leistet seit 48 Jahren einen unschätzbaren Beitrag, indem er Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf in die Mitte der Gesellschaft holt und ihnen ein Stück Normalität schenkt.
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Homepage Paul Moor-Schule
Homepage Caritas
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