Gestern fand vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen die mündliche Verhandlung im Verfahren VerfGH 124/24 statt. Dabei geht es um die Klage gegen die Änderung des Kommunalwahlgesetzes NRW, beschlossen von den Fraktionen von CDU, SPD und Grünen.
Ich war als Besucher vor Ort in Münster – gemeinsam mit Jörg Buer, Mitglied des Landesvorstands der Freien Demokraten. Neben unserem Verfahren wurden auch Anträge von Volt, Piraten, Linke, Die PARTEI und BSW verhandelt.
Aus meiner Sicht wurde in der Verhandlung deutlich: Das neue Sitzzuteilungsverfahren, das sogenannte Rock-Verfahren, bringt erhebliche Verzerrungen mit sich – zu Lasten kleinerer Parteien und zugunsten größerer. Der zentrale Kritikpunkt ist die Verschlechterung der Erfolgswertgleichheit. Es kann passieren, dass eine Partei mit einem rechnerischen Anspruch auf 1,9 Mandate kein zweites Mandat erhält, während eine größere Partei mit 19,1 Mandaten ein zwanzigstes bekommt. Solche Beispiele wurden eindrucksvoll geschildert.
Die Vertreter der Landesregierung verteidigten die Änderung mit dem Argument, kleinere Parteien könnten überrepräsentiert sein. Dabei wurde – aus meiner Sicht – übersehen, dass das neue Verfahren genau das Gegenteil bewirkt: eine mögliche systematische Unterrepräsentation kleinerer politischer Kräfte.
Was in der Debatte oft ausgeblendet wird: Der eigentliche politische Beweggrund für die Änderung war, die AfD bei der Sitzverteilung zu benachteiligen. Doch der Plan ist aufgegangen – nur völlig anders als gedacht: Die AfD profitiert nun sogar in vielen Fällen vom neuen Verfahren, weil sie so viele Stimmen erhält, dass sie trotz der Neuregelung zusätzliche Sitze bekommt. Die wahren Verlierer sind kleine demokratische Parteien. Am Ende geht es also vor allem um eines: Machterhalt der etablierten großen Fraktionen, nicht um Fairness oder Repräsentation.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Umgang mit einem Gutachten des renommierten Mathematikers Prof. Dr. Friedrich Pukelsheim, das von CDU und Grünen selbst in Auftrag gegeben wurde. Dieses kommt zu dem klaren Ergebnis, dass das bisherige Sainte-Laguë-Verfahren die gerechtere Methode ist. In der Verhandlung wurde jedoch versucht, das eigene Gutachten zu relativieren – eine Entscheidung, die Fragen aufwirft.
Wie das Gericht entscheiden wird, ist nach dem Verlauf der Verhandlung offen. Die Argumente wurden umfassend ausgetauscht – sowohl juristisch als auch mathematisch. Klar ist aber: Die Entscheidung am 20. Mai wird von großer Bedeutung für die demokratische Repräsentation in unseren Städten und Gemeinden sein.